Es sind Kleine Frostspanner, eine Nachtfalterart, die auch bei uns nicht selten vorkommt und deren Hauptflugzeit von Oktober bis Dezember geht. Dass beim Kleinen Frostspanner, aber auch bei seinen nahen Verwandten, erst mit dem Einsetzen des Herbstwetters oder sogar mit den ersten Bodenfrösten ihr Lebenszyklus als Falter beginnt, ist eine Besonderheit der Natur. Gibt es einen durchgehend warmen Oktober, fliegt kaum einer dieser zerbrechlich wirkenden Geschöpfe. Im Spätherbst 2011 waren aber im Scheinwerferlicht oder auch unter Lampen schon einige von ihnen zu entdecken, die große Masse kam später.
Deshalb wollen wir einmal näher auf den Ablauf im Leben eines Frostspanners eingehen. Gerade bei der heute vorgestellten Art kommt es auch bei uns zu Massenvermehrungen. Früher wurden zum Schutz vor den gefräßigen Raupen die Obstbäume mit einem weißen Schutzanstrich am Stamm versehen. Heute sehen wir dieses Bild nur noch selten. Doch wie sollte solch ein Anstrich, oft war auch ein breiter Leimring um den Stamm gewickelt, vor fliegenden Insekten schützen?
Hier beginnt das besondere der Frostspannerarten. Die Weibchen sind flugunfähig, sie haben nur Stummelflügel. Dafür tragen sie aber in ihrem dicken Hinterleib eine Unmenge von Eiern mit sich, man könnte sie auch als Eierlegemaschine bezeichnen. Die Weibchen klettern sofort nach ihrem Schlupf aus der Puppenhülle, die im Bodenlaub oder unter Gras versteckt gelegen hat, etwas an einem Baum oder sonstigem in die Höhe und locken mit einem speziellen Lockduftstoff die Männchen an. Das kann in Wäldern ebenso der Fall sein wie mitten in den Dörfern und Städten, soweit dort Obst - oder Laubbäume vorhanden sind.
Sobald das Weibchen von einem angelockten Männchen begattet worden ist, klettert es weiter in die Höhe und legt seine Eier ab. Und eben dieses haben die Schutzanstriche und Leimbänder verhütet, die Weibchen konnten nicht über sie hinweg und blieben sogar daran hängen. Fehlen solche Schutzmaßnahmen, kann es in Jahren mit starkem Befall zur Massenvermehrung kommen.
Die kleinen Raupen, nach der Art ihrer Fortbewegung ist die ganze Schmetterlingsgruppe als Spanner benannt worden, können in großer Anzahl Obstbäume und Laubwälder kahl fressen. Sie treten in solchen Jahren so massenhaft auf, dass man beim Betreten eines befallenen Waldes im Mai oder Juni den Kot der Raupen auf das Laub rieseln hört!
Da den Raupen im Gegensatz zu anderen Schmetterlingsarten einige Beinpaare fehlen, bewegen sie sich durch Zusammenziehen und wieder Strecken fort.
Doch zurück zu den Weibchen. Sie sterben kurz nach der Eiablage, der Sinn ihres Daseins ist beendet. Da zur Zeit des Lebenszyklus der Weibchen die meisten insektenfressenden Singvögel schon in den Süden gezogen sind, besteht durch sie keine Gefahr. Deshalb können es sich die weiblichen Frostspanner auch erlauben, offen an den Bäumen zu sitzen.
Findet sich nicht sofort ein Männchen ein, harrt das Weibchen auch längere Zeit aus, Nahrung nimmt es ebenso wie die Männchen nicht mehr zu sich. Die wäre zu dieser Jahreszeit auch nicht mehr aufzufinden, für ein flügelloses Wesen wäre selbst vorhandenes Futter nicht zu erreichen.
Nach einer Sturmnacht im November haben wir schon Hunderte von Männchen gesehen, die durch starke Regengüsse an die Bäume geklebt waren oder in Pfützen trieben, die Art wird aber durch die wenigen Überlebenden nach einer solchen Wetterfront erhalten. Bleiben solche Naturgewalten aber aus, kann man auch mal bis in den März fliegende Kleine Frostspanner beobachten, für diese Kinder der Nacht eine hohe Lebenserwartung.
Doch irgendwo an Rinde, an Ästen oder Trieben wächst schon in den großen Gelegen die nächste Generation Frostspanner heran. Und wenn der Leser wieder einmal unter ihrer Lampe viele Nachtfalter an der Wand hängen sehen, dann hat sich der Kreislauf geschlossen, die Frostspanner (es gibt ja mehrere Arten Frostspanner, wir stellen hier den Kleinen F. vor) fliegen wieder.